HAZ / Calenberger Zeitung; 19.10.2021 – Von Ingo Rodriguez
Der Rollstuhlbasketball-Nationalspieler Phillip Schorp ist seit wenigen Wochen an der KGS Ronnenberg neuer Schulsozialarbeiter – seit seiner Rückkehr von den Paralympischen Spielen in Tokio.
Wie sich Menschen in Krisenzeiten fühlen können, damit kennt sich der 28-jährige Phillip Schorp aus. Der junge Mann ist seit seinem 16. Lebensjahr nach einem Rodelunfall querschnittsgelähmt. Er hat sich aber nach dem Unglück schnell mit seinem neuen Leben im Rollstuhl arrangiert und ist mit harter Arbeit sogar zum Leistungssportler geworden. Künftig will der Rollstuhlbasketball-Nationalspieler nun an der KGS Ronnenberg Schüler in persönlichen Krisen unterstützen und motivieren. Seine Stelle als neuer Schulsozialarbeiter ist Schorps erste berufliche Station.
„Eigentlich bin ich erst seit Mitte September im Dienst“, sagt der 28-Jährige und bittet in sein neues Büro im Trakt neben der Berufsberatung. Nur zwei Handgriffe später hat er sich in seinem Rollstuhl schon vom Schreibtisch an einen kleinen Tisch im Eingangsbereich des Raumes rangiert. Noch vor etwas mehr als einem Monat war er als Rollstuhlbasketball-Nationalspieler für Deutschland in Tokio im Einsatz. Bei den Paralympischen Spielen sei aber nur der siebte Platz herausgesprungen, berichtet der Juniorenweltmeister von 2013.
Wie man mit Enttäuschungen, aber auch mit Konflikten umgeht, will Schorp künftig an der KGS unter anderem Schülern mit Problemen im häuslichen Umfeld, aber auch Schulschwänzern oder Mobbing-Opfern vermitteln. „Schulsozialarbeiter sollen bei schweren Fällen die Lehrer entlasten und Lösungen finden“, sagt Schorp. Er sei aber nicht nur für die Vermittlung und Beantragung von Hilfsangeboten des Jugendamtes, der Suchthilfe oder von Psychologen zuständig. In seinem Büro steht er Schülern auch ständig als Ansprechpartner zur Verfügung und führt Gespräche mit Eltern. Außerdem soll Schorp Sozialtraining für Klassen leiten. „Psychische Belastungen von Schülern sind heutzutage zunehmend zu beobachten“, weiß der Sozialarbeiter.
Es ist seine erste Stelle nach dem Abschluss des Studiums in Hildesheim. Trotzdem kennt er die KGS Ronnenberg bereits. „Im Jahr 2016 habe ich mit meinem Verein schon einmal an der Schule ein pädagogisches Rollstuhlbasketball-Projekt angeboten“, erzählt Schorp. Das sei nach seiner Bewerbung auf die freie Stelle auch im Vorstellungsgespräch zur Sprache gekommen.
Leistungssportler trainiert bis zu achtmal pro Woche
Dass Schorp nur auf einer halben Stelle im Einsatz ist, hat einen guten Grund: Immerhin ist er Leistungssportler und soll als „Fast-Halbprofi“ – so nennt er es – künftig auch bis zu acht zweistündige Rollstuhlbasketball-Trainingseinheiten beim Bundesligaklub Hannover United absolvieren. Dort hält sich Schorp wegen der Nähe zu seinem Wohnort in der Südstadt von Hannover und zu seinem neuen Arbeitsplatz aber nur fit. Er spielt an den Wochenenden in der ersten Liga beim BBC Münsterland in der Nähe von Osnabrück. „Das Freitagstraining mache ich auch dort“, sagt Schorp.
„Ich bin schnell mit dem Rollstuhl gut zurechtgekommen“
Zum Rollstuhlbasketball ist er bereits kurz nach seinem schweren Unfall in der Nähe seiner Heimatstadt nahe Tübingen gekommen. Seit er beim Rodeln mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum geprallt sei, habe er „brustabwärts wenig Funktionalität“. Er sei aber bereits beim Klinikaufenthalt nach dem Unglück schnell sehr gut mit dem Rollstuhl zurechtgekommen und selbstständig gewesen. „Weil mir im Krankenhaus langweilig war, habe ich dort in einer Sporthalle erst beim Training einer Rollstuhl-Basketballmannschaft zugeguckt und dann mitgemacht“, erzählt er. Später sei er in der zweituntersten Klasse in den Trainings- und Spielbetrieb eingestiegen und über einen Länderauswahllehrgang für die Junioren-Nationalmannschaft entdeckt worden. „Mit viel Übung, Fleiß und Disziplin“ habe er sich dann hochgearbeitet. Im Jahr 2014 zog er zu Beginn seines Studiums in Hildesheim dann in eine Leistungssportler-WG des Landessportbundes in Hannover und ging für United in der zweiten Bundesliga auf Korbjagd.
An der KGS will er für möglichst lange Zeit bleiben – wie in der Südstadt von Hannover, wo er mit seiner Freundin wohnt. Sie unterstütze ihn sehr bei der Umsetzung seiner sportlichen und beruflichen Karriere, betont Schorp. Eine Fernbeziehung mit ihr wie bei seinem einjährigen Gastspiel bei einem Bundesligaklub in Wiesbaden könne er sich nicht noch einmal vorstellen. Er habe zwar sogar schon Angebote von Rollstuhlbasketballteams im Ausland erhalten. Seine Sportlerkarriere sei aber zeitlich begrenzt. Und irgendwann möchte Schorp seinen Beruf als Schulsozialarbeiter ganztags ausüben.
HAZ / Calenberger Zeitung; 19.10.2021 – Von Ingo Rodriguez
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.